Stray

ca. Sommer 2010 – ca. 55 - 60 cm – bei Thessaloniki

02.03.2014:

Es gibt diese Momente, da wird man ganz still und man spürt nur noch sein Herz klopfen. Bingo ist einer dieser Hunde, der einem das Herz stiehlt. Zugegeben ich sehe nur sein Foto und ich lese, was Foteini mir schreibt – über einen Hund, der eine so verdammt gewöhnliche Geschichte hat. Eine, die wir wohl hundertfach gelesen haben. Aber der Hund dahinter ist immer einzigartig.

Ansprechpartnerin: Brigitte Meschkat

Es war im Frühjahr 2011, schreibt Foteini, als er das erste Mal vor meinem Haus auftauchte. Er war höchsten zehn Monate alt. An seinem Hals hatte sich eine scharfe Linie eingezeichnet – Spuren von einem viel zu engen Halsband. Bingo, wie ihn Foteini taufte, ein kleiner Hundejunge mit einer trostlosen Vergangenheit und einem freundlichen Wesen. Einer, der einem das Herz bricht, weil man nie wieder gut machen kann, was er erlebt hat. Hunde leben in der Gegenwart heißt es. Wie vermessen zu denken, dass sie nicht ebenso ihrer Vergangenheit erinnern.

Bingo kam jeden Tag zu Foteini, war dankbar für sein Essen, dass sie ihm hinstellte und blieb für Stunden bis er wieder verschwand – um am nächsten Tag wieder vor Foteinis Tür zu warten.

Foteini konnte ihn nicht aufnehmen, weil sie schon zu viele Hunde versorgt. Aber sie bat eine Nachbarin, ihn zumindest vorrübergehend in „Pflege“ zu nehmen. Was das in Griechenland heißt: Bingo dürfte in ihrem Hinterhof leben, die meiste Zeit sich selbst überlassen. Irgendwann wurde er von einem Auto angefahren. Foteini brachte ihn zum Tierarzt, behielt ihn zu Hause bis seine Wunden verheilt waren. Eine kurze Zeit, in der Bingo Foteini ans Herz gewachsen ist. Bingo ist ein freundlicher Hund, schreibt Foteini, freundlich zu Kindern und auch zu Katzen. Aber auch ohne ein richtiges Zuhause.

Denn auch nach seiner Rückkehr zu Foteinis Nachbarin verbrachte Bingo die meiste Zeit auf der Straße. Einige Male, schreibt Foteini, wurde er von einem Rüden in der Nachbarschaft angegriffen. Es macht mich einfach nur traurig, weil ich ihm nicht helfen kann.

Bingo, der Straßenhund mit der so gewöhnlichen Geschichte, die einen doch so sehr berührt, dass man sich wünscht, man hätte sie nie erfahren. Es gibt größere Notfälle, schlimmere Schicksale. Aber Bingo ist vielleicht genau deshalb eine so traurige Geschichte, weil er „nur“ einer dieser Straßenhunde ist, die vielleicht auf nicht mehr hoffen dürfen als auf eine Futterschüssel im Hinterhof und eine ungewisse Zukunft.